Tag 05 – Tempel, Raben und lecker Essen

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Heute war ein ziemlich voller Tag – aber endlich auch einer, an dem ich ein paar offene Baustellen abhaken konnte. Nachdem es gestern mit meinen Reiseplänen etwas turbulent wurde, konnte ich heute endlich alle Buchungen, Umbuchungen und Stornierungen abschließen.

Ursprünglich wollte ich am 8. Oktober nach Osaka fliegen, habe den Flug aber auf den 15. Oktober verschoben. Der Grund ist simpel: Bis zum 14. Oktober findet in Osaka noch die Expo statt – und die sorgt für völlig überzogene Preise. Egal ob Hotel, Airbnb oder Kapselhotel, alles kostet das Drei- bis Fünffache, teils sogar mehr.

Ein Beispiel: Ein Haus mit acht anderen Gästen, geteilte Küche, Bad und ein winziges 2–3 m²-Zimmer für 135 € die Nacht – ein echtes „Schnäppchen“. 😅Normale Hotels, die sonst 50–90 € kosten, liegen aktuell bei über 1.000 € pro Nacht. Da bleibe ich lieber noch etwas länger in Sapporo.

Natürlich lief nicht alles reibungslos: Nachdem ich meine Flüge verschoben und die überteuerten Notunterkünfte storniert hatte, war mein jetziges Zimmer ab dem 11. plötzlich vergeben. Zum Glück habe ich schnell Ersatz gefunden – und der neue Ort hat sogar den Vorteil, dass die Bahn zum Flughafen nur zwei Minuten entfernt ist.

Mittag: Herbstfest im Odori Park

Nach dem Frühstück und dem ganzen Planungschaos war es schon Mittag. Ich brauchte frische Luft, also machte ich mich auf den Weg zum Sapporo Autumn Festival im Odori Park, um dort etwas zu essen. Es gab Spieße, gegrillte Reisbällchen und ein wunderbar fluffiges Gebäck mit Vanillefüllung – alles frisch, lecker und perfekt, um die Laune wieder zu heben.

Ich liebe das Konzept dort: Fast jedes Gericht gibt es als komplette Mahlzeit oder als Probierportion. So kann man sich wunderbar durch 5–6 verschiedene Dinge futtern 🤤.

Während ich gerade aß, landete plötzlich einer der vielen riesigen Raben neben mir. Er schaute mich an, als wolle er sagen:

„Lass mal was fallen – ich kümmer mich gern um so ein Stück Fleisch.“Als ich standhaft blieb, flog er beleidigt zurück auf seinen Baum.

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Nachmittag: Tempelrunde ohne Stempel

Gestärkt wollte ich danach meine Tempelrunde starten – drei Stück standen auf der Liste. Leider hatte keiner von ihnen offen. Ich konnte die Anlagen zwar betreten und mir alles ansehen, aber kein Goshuin (Tempelstempel) bekommen.

Nach dem ersten Tempel habe ich extra die Öffnungszeiten geprüft, aber offenbar spielen da noch andere Faktoren eine Rolle – vielleicht das Herbstfest oder Feiertage. Am Ende waren es fünf Stunden wildes Herumfahren und Herumlaufen in Sapporo – schöne Tempel gesehen, aber keinen einzigen Stempel ergattert.

Abend: Herbstfest, Teil 2

Am frühen Abend ging’s zurück zum Odori Park – es war schließlich der letzte Tag des Autumn Festivals. Ich hab nochmal richtig zugeschlagen: eine kleine Ramen, Cheese Sticks, Kroketten mit Käse und noch ein gegrilltes Onigiri.

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Fun Fact: Japans Kroketten unterscheiden sich etwas von unseren. Viele enthalten Kartoffeln, andere auch oder stattdessen Fleisch oder Gemüse. Da Hokkaido bekannt ist für seine qualitativen Lebensmittel wie Milchprodukte, frisches Gemüse und Lammfleisch, was man sonst eher selten in Japan bekommt, war die Auswahl entsprechend riesig.

Mit brennenden Füßen und 16.000 Schritten auf dem Zähler habe ich mich dann heimgekämpft – und bin jetzt einfach nur platt.

Ausblick

Bei all dem, was ich heute nicht geschafft habe zu probieren, habe ich direkt Pläne für die nächsten Tage geschmiedet – morgen geht’s in die Ramen Alley.

Ich hab heute eine tolle Frage bekommen, die ich in Roman Länge beantwortet habe, das will ich natürlich nicht vorenthalten.

Warum bin ich so „japanverliebt“?

Wieso nicht? Ehrlich gesagt – ich weiß es gar nicht so genau. Das Essen ist großartig, ich lese sehr gerne Mangas und schaue Anime, aber die haben mir immer nur einen kleinen, vom Autor verfälschten Einblick in das Land gegeben. Irgendwann wollte ich es einfach selbst sehen.

Und dann war es so viel mehr, als Geschichten je einfangen könnten – das Gute wie das Schlechte. Ich hätte wahrscheinlich nie so ein Leben führen können wie hier, aber manchmal spielt man mit dem Gedanken, wie es wohl gewesen wäre, in Japan aufzuwachsen.

Auf ständiges Lernen und Zusatzunterricht bis 21 Uhr nach der regulären Schule hätte ich sicher keine Lust gehabt – genauso wenig auf Gesundheitsprüfungen, bei denen man direkt mit Gleichaltrigen körperlich verglichen wird – was eventuell ein Antrieb sein könnte gesünder zu leben, mehr Sport zu treiben, aber entgegengesetzt auch ein Ziel für Mobbing darstellt. Später im Berufsleben die unbezahlten Überstunden, das Prinzip, dass niemand geht, bevor der Letzte fertig ist, und die Pflicht, nach Feierabend mit dem Chef trinken zu gehen, um Karriere zu machen – das alles wäre nichts für mich. Arbeit scheint hier oft selbst nach Dienstschluss noch das Leben zu dominieren und lässt vielen kaum Freizeit. Der Beziehungsstatus ist scheinbar ungefragt Thema und darf frei kritisiert werden, solange es sich beim Ziel um Frauen handelt. Jemanden zu heiraten nur um den gesellschaftlichen Standard zu erfüllen scheint noch immer ein Thema zu sein.

Andererseits hätte ich gern diese Schulkultur erlebt: den Respekt vor Eigentum, das gemeinsame Saubermachen der Schule, die unzähligen Clubs und Studiengruppen, die von der Schule gefördert werden. Sportclubs wie Tennis, Karate, Kendo, Baseball oder Schwimmen, die regelmäßig an Turnieren teilnehmen. Und dazu kreative oder forschende Gruppen wie Kochen, Wandern, Zeichnen, Sticken – alles Dinge, die produktiv sind und bei Schulfesten ihre Ergebnisse sogar verkaufen dürfen, um ihren Club zusätzlich zu finanzieren. Viele Clubs können mit ihrem betreuenden Lehrer eigene Wochenend- oder Studienfahrten unternehmen.

Der allgemeine gesellschaftliche Konsens in Japan ist einfach: Geh deinen Mitmenschen nicht auf den Sack. Jeder darf tun, was er möchte, solange es niemanden stört. Während bei uns die Leute im Zug laut Musik hören, auf Lautsprecher telefonieren oder hitzige Diskussionen führen, ist man hier einfach ruhig – ganz selbstverständlich und ich liebe es.

Öffentliche Verkehrsmittel funktionieren hier so gut! Bus-, Bahn- und Straßenbahnfahrer sind stolz auf ihren Job und bedanken sich nach jeder Fahrt bei den Fahrgästen – und die bedanken sich zurück, dass sie sicher transportiert wurden. Aber auch hier gibt es ganz vereinzelt zuviel Hingabe für den Job, wo sich Menschen wegen einer Verspätung etwas antun.

Beim bargeldlosen Bezahlen sind sie uns ohnehin seit über zehn Jahren voraus. In fast jedem Restaurants gibt es Einzelsitzplätze, damit sich niemand fehl am Platz fühlt, wenn er allein isst. Nur wenige besitzen einen eigenen PC; meist gibt es nur ein Laptop für Schule oder Studium. Wer Videospiele spielen will, geht einfach in eine der zahlreichen Spielhallen – richtige moderne Arcades, die alles bieten.

Und dann gibt es noch die Themen-Cafés, in denen man theoretisch wohnen könnte: kleine, gemütliche Kabinen mit Sesseln, Regalen voller Bücher oder Mangas, Schreibtischen zum Zeichnen oder Basteln und Computern zum Spielen. Oft kann man dort sogar übernachten; oft wird Essen angeboten wie Instant Ramen oder Fertig-Gerichte die nur aufgewärmt werden müssen oder man kann sich dort Essen hinbestellen; Duschen und Toiletten werden gemeinschaftlich genutzt.

Obwohl Japan auf den ersten Blick so strukturiert wirkt und man denken könnte, jeder müsse sich dem gesellschaftlichen Ideal anpassen, gibt es hier erstaunlich viele Möglichkeiten, frei und unabhängig zu leben – vielleicht sogar freier, als man es erwartet.

Ob das alles wirklich so der Realität entspricht, weiß ich nicht. Es ist das, was ich über Medien, eigene Recherchen, verschiedene Quellen und meine Reisen über Japan gelernt habe. Vielleicht sind einige Punkte auch etwas verklärt, weil ich Japan einfach so sehr mag – und dadurch manches vielleicht zu positiv sehe.

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